#beziehungsweise
Die ökumenisch verantwortete Kampagne „#beziehungsweise –jüdisch und christlich: näher als du denkst“ möchte dazu anregen, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen. Auch und gerade im Blick auf die Feste wird die Verwurzelung des Christentums im Judentum deutlich. Mit dem Stichwort „beziehungsweise“ soll der Blick auf die aktuell gelebte jüdische Praxis in ihrer vielfältigen Ausprägung gelenkt werden. Die Kampagne ist ein Beitrag zum Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.
Wir sind uns bewusst: Die Betonung der Nähe ist nur unter Wahrung der Würde der Differenz möglich. Deshalb halten wir es für unverzichtbar, die Bezugnahmen auf das Judentum in christlichen Kontexten auch kritisch zu hinterfragen, Vereinnahmungstendenzen zu erkennen und zu vermeiden.
Aktuell finden wir uns dabei in einer gesellschaftlichen Situation wieder, die durch ein Erstarken von Antisemitismus und weiterer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geprägt ist. Übergriffe gegen jüdische Bürger*innen, Hetze und Verschwörungsmythen in den Sozialen Medien nehmen weiterhin zu.
In einer respektvollen Bezugnahme auf das Judentum, die zur positiven Auseinandersetzung mit der Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland anregt, will die Kampagne auch einen Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus leisten.
Wir trinken auf das Leben: Purim beziehungsweise Karneval.
Eine jüdische Stimme
Kleine und große Clowns, Ritter, Prinzessinnen, Monster, Hexen, Zebras, Hasen und andere phantasievoll gekleidete Gestalten haben sich in der Synagoge versammelt, machen Krach mit Hilfe von Rasseln, trampeln mit den Füßen, pfeifen und bringen „Buh“-Rufe aus. Und all das bei der Verlesung eines biblischen Buches?? Purim ist das Lieblingsfest jüdischer Kinder, denn sie dürfen sich nach Herzenslust verkleiden und brauchen nicht still sitzen, weil der Lärm sogar Teil der Liturgie ist. Wann immer der Übeltäter Haman genannt wird, bricht ein enormer Krach aus, um dessen Namen auszulöschen.
Das Hören der Esther-Geschichte ist das wichtigste Gebot des Festes. Daneben ist es üblich, einander Süßigkeiten und selbst zubereitete Speisen zu schenken. Das typische Gebäck für Purim sind die „Haman-Taschen“ oder „Haman-Ohren“, dreieckige, mit Mohn, Datteln oder Marmelade gefüllte Kekse. Bedürftige Menschen werden mit Lebensmitteln oder mit Geld bedacht, damit auch sie sich Festmahlzeiten leisten können. Und warum heißt es „Esther-Rolle“? Weil der Text des Esther-Buchs aus einer auf Pergament handgeschriebenen Rolle (Megillah), ähnlich einer Torah-Rolle, vorgetragen wird.
– Rabbinerin Dr.in Ulrike Offenberg
Eine christliche Stimme
Prächtige Prinzenwagen von Düsseldorf bis Mainz, spärlich bekleidete sambatanzende junge Frauen in Rio, vornehme Masken in Venedig, urtümliches Geistertreiben in Rottweil und Luzern – das sind Bilder, die beim Stichwort „Karneval“ aufsteigen. Dass „Karneval“ ursprünglich die Tage vor dem Beginn der vorösterlichen Fastenzeit im Christentum bezeichnet, ist heute wohl zunehmend weniger bewusst.
Traditionell verzichteten Christen und Christinnen in den vierzig Tagen vor Ostern auf den Verzehr von Fleisch und schränkten auch sonst ihr Leben ein. An Karneval sagte man „dem Fleisch Lebwohl“ („carne vale“).
Hier durfte aber auch die Welt auf den Kopf gestellt werden. Spott auf die Herrschenden, Tanz, fette Speisen und ausgiebiger Alkoholkonsum gehörten dazu. Bezeichnungen wie das rheinische „Fastelovend“ („Fast-Abend“) oder „Fastnacht“ erinnern daran, dass Karneval eine Art Schwelle oder Übergang darstellt zwischen dem Leben im Alltag und der Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Auferstehung Christi. Die „tollen Tage“ bergen aber auch ein utopisches Moment: dass das Leben mit seinen oft harten Begrenzungen und Ungerechtigkeiten nicht alles ist…
– Marie-Theres Wacker
In diesem Monat gibt es zwei Online-Veranstaltungen zum Thema 'Purim #beziehungsweise Karnveal':
Gelehrte im Gespräch: Wir trinken auf das Leben – Purim beziehungsweise Karneval
Februar 16 @ 19:00 - 20:30
Referentinnen
Prof.in em. Dr. Marie Theres Wacker, Eremitierte Professorin für Altes Testament und Theologische Frauenforschung, Katholisch-Theologische Fakultät Münster
Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg, Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde Hameln
Moderation: Pastorin Hanna Lehming, Beauftragte der Nordkirche für christlich-jüdischen Dialog
und
Purim | Fastnacht
Februar 17 @ 18:00 - 19:30
Mittwoch, 17. Februar | 18 Uhr
auch als Online-Live-Veranstaltung
Neue Vortragsreihe: #beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst.
2. Thema: Purim | Fastnacht
Vortrag mit Dr. Timotheus Arndt (Forschungsstelle Judentum, Theologische Fakultät der Universität Leipzig) und weiteren wechselnden Referenten.
Das Buch Esther berichtet von der wundersamen Rettung des jüdischen Volkes vor staatlichen Pogromen in der persischen Diaspora. Diese Rettung ist für Jüdinnen und Juden Anlass Purim zu feiern. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Fest zum Symbol des Sieges über Antisemitismus. Die getragenen Kostüme erinnern dabei unweigerlich an Fastnacht und verbinden diese beiden Feste. Ob und wie sie tatsächlich miteinander verbunden sind, darum soll es bei ‚Purim bzw. Fastnacht‘ gehen.
Veranstalter: Jüdisch-Christliche Arbeitsgemeinschaft Leipzig, Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig, Ariowitsch-Haus
Links zu den Veranstaltungen und zur Anmeldung finden Sie hier: